Worum geht es heute?

Der letzte „Einfach bessere Fotos machen„-Beitrag ist ja nun doch schon einige Zeit her. Damals habe ich euch vom goldenen Schnitt erzählt, warum er so wichtig ist und wann man diese fotografische Regel brechen sollte.
Ein paar Handwerkszeuge habt ihr jetzt schon an der Hand, heute möchte ich eure Werkzeugkiste um ein weiteres ganz wichtiges Tool erweitern. Wenn ihr diesen Beitrag fertig gelesen habt, solltet ihr eine Idee davon haben, warum Fotos oft nicht wirklich das abbilden, was ihr seht und wie ihr dem gegensteuern könnt. Heute geht es darum, Tiefe zu erzeugen.

Warum Tiefe erzeugen?

Unter Tiefe verstehe ich in diesem Fall die geometrische Tiefe. Emotionaler Tiefe oder tiefgründigen Fotos im Allgemeinen widmen wir uns bestimmt noch ein anderes Mal. Heute geht es ganz darum, mit Hilfe einfacher gestalterischer Hilfsmittel Fotos interessanter zu gestalten.

Ein jeder, der gerne fotografiert, kennt das nur zu gut. Der Moment ist wunderbar, das Licht großartig, man zieht die Kamera heraus, drückt auf den Auslöser und… Das Foto sieht einfach anders aus, als das Bild, das vor einem liegt.
Woran liegt das?
Zum einen liegt es daran, dass wir diesen Moment mit allen Sinnen erleben. Wir spüren den Wind und die Sonne, wir riechen das Meer und die wilden Kräuter, spüren den Sand zwischen den Zehen und hören die Möwen über unseren Köpfen. Das alles kann ein Foto nicht so gut vermitteln, wie wir es in diesem Augenblick auch erleben.
Und: wir sehen diese Szene. Ja, die Kamera „sieht“ auch. Aber anders.
Wir besitzen zwei Linsen, die uns 3D sehen lassen, die Kamera nur eine, sie zeichnet alles, was sie „sieht“ also zweidimensional auf. Die Tiefe fehlt in den Fotos und muss von uns durch gute Handwerkskunst vermittelt werden. Bemühen wir uns nicht darum, unseren Fotos Ebenen und scheinbare Dimensionen hinzuzufügen, wirken die Bilder einfach nur platt. Gerade bei Landschaftsbildern stellt das oft ein großes Problem dar, da es so wirkt, als ob sich alles auf einer Ebene abspielt. Der Blick des Betrachters hüpft ohne Führung über das Bild und die Wirkung, die dieser Ort auf uns hatte, kommt beim Betrachter einfach nicht an.

Die Techniken

Es gibt beinahe unzählige Techniken, um den Eindruck von Tiefe in Fotos oder Malereien zu vermitteln. Daran alleine sieht man schon, wie wichtig dieses Thema für die Bildgestaltung ist – und das war es schon lange vor der Erfindung der Fotografie. Ich möchte euch hier nur ein paar vorstellen, alle aufzuzählen würde wohl den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Wenn euch das nicht reicht, werde ich euch am Ende des Beitrags wieder ein paar Links und Buchempfehlungen einfügen. Außerdem dürft ihr wie immer natürlich auch eurer Kreativität freien Lauf lassen und für euch neue Wege ausprobieren. Vielleicht entdeckt ihr ja alleine durch das Ausprobieren schon die ein oder andere weitere Technik.

Linien

Für mich eine der wichtigsten Techniken ist die Vermittlung von Tiefe durch Führungslinien.
Dieses Thema kennt wahrscheinlich noch so gut wie jeder von euch aus dem Kunstunterricht. Zwei parallele Linien, die sich zum Horizont hin verjüngen und somit das Gefühl der Dreidimensionalität vermitteln. Ich nutze diese Technik sehr gerne, Feldwege, Trampelpfade und Straßen bieten sich geradezu an, um in den Hintergrund zu führen.
Nutzen kann man sie auch ganz leicht – die Linie beginnt im Vordergrund, schön ist es, wenn sie in einer der unteren Ecken entspringt, und schlängelt sich bis in den Hintergrund, wobei sie immer schmaler wird.

Für mich war das Schwierigste an dieser Technik das Sehen lernen. Wo finde ich diese Linien?
Doch hat man erstmal seinen Blick dafür geschult, sind sie so gut wie überall zu sehen. Ein paar Beispiele für euch (mehr findet ihr, wenn ihr euch mit offenen Augen durch die Galerien klickt, da es meine Lieblingstechnik ist, werdet ihr sicher schnell fündig ;) )

Shootingbericht | Flaschenkind Vagabund Vegas | Pferdefotoshooting München Starnberg Sauerlach | Sarah Koutnik Fotografie | Einfach bessere Fotos machen | Tiefe vermitteln
Hier ganz klassisch, der Feldweg, der im Vordergrund dominant und breit beginnt und in den Hintergrund führt.

Herbstliches Shooting mit Marina und ihrer braunen Stute Conrose | Einfach bessere Fotos machen | Tiefe vermitteln | Zaun als Hilfsmittel

Es muss nicht immer ein Weg sein, auch ein Zaun kann die Rolle einer Führungslinie ganz einfach übernehmen.
Bei der Nutzung dieser Technik gibt es keine Grenzen – egal was, alles kann als Führungslinie dienen, sofern es im Vordergrund beginnt und sich bis in den Hintergrund zieht.

„Vordergrund macht Bild gesund“

Auch diese „alte Weisheit“ kann uns helfen, dem Betrachter den Eindruck eines Raumes zu vermitteln. Diese Technik setze ich gerne auf unterschiedliche Arten ein. Zum einen nutze ich gerne Unschärfe im Vordergrund, um zu zeigen, dass sich mein Motiv weiter hinten befindet. Zum anderen kann man sie aber auch genau umgekehrt einsetzen. Dann wird der Vordergrund scharf und der Hintergrund darf gerne verschwimmen. Wie bei allen vorgestellten Techniken nutzen wir hier das Gehirn des Betrachters. Wenn wir mit unseren Augen ein bestimmtes Objekt fokussieren, wissen wir, dass der Hintergrund (oder der Vordergrund) unscharf werden. Somit „erkennt“ das Gehirn des Betrachters die unterschiedlichen Ebenen im Foto, obwohl es sich natürlich noch immer um eine zweidimensionale Abbildung handelt.

Ein paar Beispiele für euch:

PRE im Abendlicht | Pferdefotografie München

Ein – bei mir – ganz klassisches Motiv: unscharfe Blümchen im Vordergrund, dahinter eine scharfe Ebene mit dem Motiv, abschließend wieder Unschärfe, um die nächste Ebene zu kennzeichnen.
Schärfe im Vordergrund und Unschärfe im Hintergrund setze ich auch sehr oft ein. Das ist dann ganz einfach ein Freigestelltes Objekt mit Unschärfe im Hintergrund, so wie es bei sehr vielen Portraits zu sehen ist.

Pferdefotografie München | Dunkelfuchs Alice | Portrait Frühling

Aber auch in der Landschaftsfotografie setze ich diesen Effekt gerne ein, auch wenn man die Ergebnisse nicht oft hier auf der Homepage zu sehen gibt.

Kazakhstan | Altyn-Emel | Einfach bessere Fotos machen | Sarah Koutnik Fotografie | Tiefe vermitteln

Und wer hats erkannt?
Hier sind gleich mehrere Techniken kombiniert. Zum einen gibt es starke Führungslinien: den Weg und die Wolken. Zum anderen ist der Stein im Vordergrund scharf, der Hintergrund unscharf. Und noch eine dritte Technik, die ich gleich vorstellen werden.

Objektstaffelung

Im Grunde handelt es sich hier um eine abgewandelte Linienführung. Nur, dass man in diesem Fall bestimmte Objekte nutzt, die sich manchmal bis zum Horizont wiederholen und dabei immer kleiner werden. Im oberen Bild wären das die kleinen gelblichen Sträucher am Straßenrand, die sich immer wieder wiederholen und mit jedem Mal kleiner werden.
Ein anderes Beispiel wäre dieses hier:

brauner Dalmatiner Bentley läuft mit Tennisball im Maul | Hundefotografie München

Hier werden die Baumstämme immer dünner und die Baumkronen Richtung Horizont sichtbar. Gleichzeitig bilden diese Bäume auch eine starke Linie, die in den Hintergrund führt.
Wie ihr seht, ist es oft sehr einfach, mehrere Techniken zu kombinieren um so den Eindruck noch mehr zu verstärken. Natürlich findet ihr auf dem Foto auch die zweite Technik. Der Baum ganz vorne ist unscharf, Bentley bildet hingegen eine scharfe Ebene und in den Hintergrund hinein wird das Bild wieder unscharf.

Farbverläufe

Diese Technik wird eher in der Landschaftsfotografie angewandt. Hierbei nutzen wir auch wieder eine bekannte Sehgewohnheit unseres Gehirns aus. Große Objekte, die sehr weit entfernt sind, wirken blasser als Objekte, die näher sind.

Vergleichbarkeit

Die letzte Technik, die ich euch vorstellen möchte, ist die der Vergleichbarkeit.
Auch hier wird wieder ganz stark das Gehirn des Betrachters angesprochen. Wir wissen, wie groß gewisse Objekte sind – wenn sie auf Bildern sehr klein sind, sind sie wohl weiter weg. Sind sie groß, ist das Objekt nahe am Betrachter. Gerade auch kombiniert mit der Vordergrund-Technik ist das ein sehr starkes Hilfsmittel (das oft ganz unbewusst eingesetzt wird, denn bestimmte Objekte sind einfach im Bild, egal, ob wir sie jetzt zur Erzeugung von Tiefe nutzen wollen oder nicht).

Mischlingsrüde Jesko im Morgennebel, Gegenlicht der aufgehenden Sonne | Hundefotografie München

Durch den Rest der Bildserie weiß der Betrachter schon, wie groß dieser Hund in etwa ist. Er sieht also, dass er sich auf diesem Bild auf einer weiter entfernten Ebene befindet. Der Farbverlauf in den Hintergrund tut dann noch sein Übriges, um die Tiefenwirkung zu verstärken.

Pferdefotoshooting bei Sonnenaufgang | Pferdefotografie München

Hier nochmal ein ganz ähnliches Bild. Auch hier haben wir wirder das Hauptmotiv, dessen Größe der Betrachter auch einschätzen kann. Somit ist klar, dass dieses Bild mehrere Ebenen hat und der Eindruck von Tiefe entsteht.

Fazit

Linien, Objekte, Farben, …
All diese Techniken haben eine Wirkung auf das Gehirn des Betrachters. Wir können manche Techniken noch so gut einsetzen, wenn der Betrachter die Größe eines Objekts nicht einschätzen kann, wird es schwer für ihn, alleine dadurch eine Vorstellung der räumlichen Begebenheiten zu bekommen. Auch deshalb ist es wichtig, mehrere Techniken zu kombinieren. Mal können wir unsere Betrachter sanft und subtil, mal sehr deutlich durch die Ebenen unseres Bildes führen. Ich persönlich mag es, Fotos zu betrachten, die meinen Blick führen, ihn wandern lassen und mir das Gefühl geben, wirklich in der Szene zu sein. Aber nicht nur das, auch das Erstellern solcher Fotos macht mir sehr viel Spaß. Rausgehen und wirklich versuchen, die Dinge zu sehen. Wo sind meine Linien? Was macht mein Licht, kann ich Schatten als Führungshelfer nutzen? Gibt es Objekte, die die Größe gewisser Dinge darstellen? Was eignet sich am besten als Vordergrund?
Zu fotografieren (und zu betrachten) ist für mich mittlerweile auch eine Art Denksport geworden – und das liebe ich <3

Ich hoffe, dass ihr mal wieder Lust bekommen habt, eure Kamera zu nehmen und los zu legen. Wie immer freue ich mich sehr über euer Feedback, über eure Fotos und Geschichten dazu.

Weiterführendes….

Kurz und knackig: Sieben Möglichkeiten, Tiefe zu erzeugen

Lang und ausführlich: kostenloses eBook zur räumlichen Tiefe

Und weil Zeichnen auch ganz viel Technik nutzt: Tiefenwirkung & Raum zeichnen

 

Übersicht über alle bisherigen Beiträge der Serie: Einfach bessere Fotos machen