Wie oft ich diesen Satz gesagt habe und wie oft ich ihn schon gehört habe – unzählige Male. Leichtfertig kommt er über die Lippen, meist mit einem Lachen wird er in den Raum gestellt ohne weiter darüber nachzudenken. Weniger ist mehr, ein schönes Oxymoron, das mich als Kind mit einem großen Fragenzeigen im Kopf zurückgelassen hat. Wie kann es mehr sein, wenn es weniger ist?

Ich weiß gar nicht mehr, warum ich in den letzten Tagen so sehr über dieses drei Worte nachdenken muss, wo ich sie schon wieder aufgeschnappt habe. Ich habe mich zugegebenermaßen noch nie so richtig mit dem Sinn hinter dieser Aussage beschäftigt. Mit dem Sinn, den ich dieser Aussage geben würde.

Haflingerwallach Samos | rote Hecke | Therapiepferd | Pferdefotografie | Sarah Koutnik Fotografie | München | weniger ist mehr

Wir leben in Zeiten und in einer Gesellschaft des Überflusses. Von allem gibt es reichlich und alle wollen alles und das sofort. Egal, ob es sich dabei um materielle Dinge handelt, wie die neueste Mode oder um immaterielles wie Zeit oder emotionales wie die „perfekte“ Liebe oder Freunde oder Likes oder Informationen oder Follower oder oder oder….

Und trotzdem schafft man es nicht lange glücklich zu sein, braucht das nächste tolle Ding, um erneut das flüchtige Gefühl von Glück zu spüren – wenn es nicht mehr anhält, dann landet was-auch-immer schnell in einer Ecke oder wird weggeworfen (und ja, auch gewonnene Zeit und Freundschaften werden viel zu oft weggeworfen, vergeudet oder vergessen).
Wir laufen Dingen und Idealen hinterher, die uns Gutes versprechen, uns aber abhängig machen und werden mit jedem Schritt unglücklicher, unzufriedener, getriebener. Aber das nächste, ja, das nächste Ding hält, was es verspricht!

Weniger ist mehr…
Diese Worte geistern seit einigen Tagen immer wieder durch meinen Kopf – vor allem auch bezogen auf die Fotografie.

Haflingerwallach Samos | im Wald | Therapiepferd | Pferdefotografie | Sarah Koutnik Fotografie | München

Wenn ich Facebook oder Instagram geöffnet habe, folgte ein Tierfoto auf das nächste. Hunde, Katzen, aber vor allem Pferde. Viele, viele Tierfotografen und Fotografiegruppen buhlten hier um Aufmerksamkeit – Fotos betrachten, liken… und tief in mir drin die kleine Stimme der Unzufriedenheit. Wieso mache ich nicht solche Fotos? Wieso bekommen diese Fotografen so viele Likes? Wieso bin ich so schlecht? Sind meine Fotos nicht gut genug? Bin ich nicht gut genug?

Ich habe versucht, den Trends zu folgen, mich zu verbiegen, dem Publikum das zu bieten, was es scheinbar sehen wollte. Aber nie war ich mit den Ergebnissen zufrieden, irgendetwas hat diesen Fotos gefehlt, obwohl sie doch so sehr dem „Trend“ entsprachen.

Vor ein paar Wochen habe ich angefangen, mit offeneren Augen zu scrollen. Gerade in der Pferdefotografie habe ich es persönlich sehr stark gemerkt. Ich konnte nicht mehr sagen, welcher Fotograf für welches Foto verantwortlich war. Alle Fotos wirkten so gleich, zeigten ähnliches. Das mag wohl an der Blase liegen, in der ich mich da bewegt hatte – diese Fotografen sind untereinander auch vernetzt und beeinflussen sich gegenseitig scheinbar sehr stark.
Und alle schafften es, diesen Stil überzeugend darzustellen.
Ich nicht.

Und endlich wurde mir auch klar, warum ich das nicht kann. Was diesen Fotos fehlt. Ich.
Ich stehe nicht hinter ihnen, bin nicht mit dem Herzen dabei.
Und dann habe ich aufgeräumt.

Haflingerwallach Samos | Weizenfeld | Therapiepferd | Pferdefotografie | Sarah Koutnik Fotografie | München

Wenn ich Facebook oder Instagram jetzt öffne, sehe ich keine perfekten Tierfotos mehr.
Ich sehe keine Models in wunderschönen Kleidern mehr, keine spanischen Mähnenwunder, keine feurigen Pferde mehr, die an unglaublichen Sandstränden durchs Meer galoppieren, keine Hunde mehr vor cremigem Bokeh.
Ich sehe die Fotos meiner fotografischen Vorbilder.
Reportagen, Landschaften, Streetfotografie. Echte Emotionen.

Dort will ich hin.

Haflingerwallach Samos | Gegenlicht | Therapiepferd | Pferdefotografie | Sarah Koutnik Fotografie | München

Haflingerwallach Samos | altes Bauernhaus | Therapiepferd | Pferdefotografie | Sarah Koutnik Fotografie | München

Die Fotos in diesem Beitrag zeigen den großartigen Samos und seine wunderbare Kristina, die für jedes Projekt zu haben sind, die für Ponyhofstunden sorgen und alles mitmachen. Danke!